Die evangelische Kirche von Kulmbach in der NS-Zeit. Vortrag von Wolfgang Schoberth

Wolfgang Schoberth beleuchtete in seinem Vortrag die Haltung der evangelischen Pfarrer in Kulmbach zum NS-System.

Alle vier Kulmbacher Pfarrstellen hätten Geistliche innegehabt, die das Regime ablehnten, sich weder in Predigt noch Gemeindedienst anpassten. Die einzige Ausnahme sei Friedrich Hanemann gewesen, seit 1926 Pfarrer in Neudrossenfeld und 1933 vom neuen Landesbischof Hans Meiser zum Dekan an der Petrikirche ernannt und 1935 zum Oberkirchenrat nach München berufen. Sein Nachfolger wurde Gottfried Federschmidt, der wegen seiner regimekritischen Haltung observiert und mehrfach vernommen wurde. Als einen der ganz wenigen, der gegen den „Judenwahn“ in der eigenen Kirche aufgetreten ist, nennt der Historiker Daniel Goldhagen den Kulmbacher Gemeindepfarrer Walter Höchstädter. Zu dieser Einschätzung gelangt Goldhagen aufgrund des Studiums von einigen Briefen, die „der unbekannte Pastor“ als Lazarettgeistlicher während des Zweiten Weltkrieges verfasst hat. Für Goldhagen bringt Walter Höchstätter „strahlendes Licht“ in das kirchenpolitische Dunkel der NS-Zeit.

In seinen Lebenserinnerungen beschreibt Höchstätter seine Erfahrungen mit der Bevölkerung in Kulmbach, die in der Mehrzahl pronazistisch gewesen sei, und mit dem NS-System vor Ort, so z.B. Säuberungen“ unter missliebigen Pädagogen, Maßregelungen, Denunziation von Pfarrern sowie Stigmatisierung jüdischer Mitbürger. Aufgrund dieser Erkenntnisse werden seine Verbindungen zu „Pfarrbruderschaften“ der „Bekennenden Kirche“ enger; er versucht Klarheit zu gewinnen über den Schuldanteil der Kirchen bei der Herausbildung antisemitischen Denkens. Für Goldhagen ist ein Brief besonders wichtig, den Höchstädter im Sommer 1944 als Lazarettgeistlicher in Frankreich verfasst, heimlich gedruckt und in tausend Exemplaren durch die Feldpost an die Frontsoldaten verschickt hat: „In den Annalen der deutschen Geschichte während der NS-Zeit ist Höchstädters Brief mit seiner ausdrücklichen und uneingeschränkten Ablehnung des eliminatorischen Antisemitismus ein außerordentlich seltenes und leuchtendes Beispiel. Darin heißt es zum Beispiel: „Der Judenwahn, der schon im Mittelalter furchtbar getobt hatte, ist heute in sein akutes Stadium getreten. Da hat die Kirche, die Gemeinde Jesu Christi, zu bekennen. 

Wenn sie es nicht tut, dann hat sie versagt, genauso wie damals zur Zeit der Hexenverfolgungen. Das Blut von Millionen hingemordeter Juden, von Männern, Frauen und Kindern schreit heute gen Himmel. Da darf die Kirche nicht schweigen. Sie darf da nicht sagen, die Regelung der Judenfrage sei eine Angelegenheit des Staates, wozu er auf Grund von Röm 13 ein Recht habe. Die Kirche darf auch nicht sagen, in der heutigen Zeit vollziehe sich eben die gerechte Strafe für die Sünden der Juden. Die Kirche hat aus der Liebe zu leben. Wehe ihr, wenn sie da nichts tut! Wehe ihr, wenn sie durch Schweigen oder durch allerlei zweifelhafte Ausflüchte an den Hassausbrüchen der Welt mitschuldig wird!““ 

Schoberth kommt vor dem Hintergrund dieser Haltung zu dem Schluss, dass „Höchstädters Stern umso leuchtender strahlt, er wird zu einer singulären Erscheinung in der evangelischen Kirche.“ Der Vorstand des UNESCO-Clubs Kulmbach-Plassenburg nimmt diese Bewertung eines anerkannten Historikers zum Anlass, den Stadtrat von Kulmbach zu bitten, die Person und die Haltung des Kulmbacher Pfarrers Walter Höchstätter zur NS-Ideologie durch die Benennung einer Straße angemessen in Erinnerung zu halten. Dies geschieht auch in Umsetzung des diesjährigen UNESCO-Themas „Vielfalt achten – Menschenrechte fördern.“ 

Auf dem Foto bedankt sich Vorsitzender Hartmut Schuberth bei Wolfgang Schoberth 

Auf dem Foto bedankt sich Vorsitzender Hartmut Schuberth bei Wolfgang Schoberth

Kontakt

UNESCO-Club Kulmbach-Plassenburg e.V.
Herrn Hartmut Schuberth
(1. Vorsitzender)

Tel.: +49 (0) 9221 – 76 76 0
Fax: +49 (0) 9221 – 90 83 59

Email: schuberth.ku@t-online.de

Unterstützen Sie den UNESCO-Club