Ernährung und soziale Ungerechtigkeit. Vortrag von Prof. Tina Bartelmeß

Tina Bartelmeß, Professorin und Ernährungssoziologin an der Fakultät für „food, nutrition and health“ der Uni Bayreuth in Kulmbach, referierte im Ochsenhof über die Wechselwirkungen zwischen Ernährung und sozialer Ungleichheit.

Aus sozialer Ungleichheit resultiere gesundheitliche Ungleichheit, d.h., gesundheitliche Risiken sind in den am stärksten sozial benachteiligten Gruppen einer Gesellschaft am höchsten. Das Risiko, an Herzkrankheiten, Diabetes oder Schlaganfall zu erkranken, ist in der unteren Bildungsgruppe doppelt so hoch wie in der mittleren! So ist auch die mittlere Lebenserwartung bei Frauen aus der Unterschicht vier Jahre und bei Männern gar acht Jahre geringer als die der Oberschicht. Gesundheitskompetenz ist bei der Hälfte der Menschen mit niedriger Bildung inadäquat, bei denjenigen mit hoher Bildung nur bei 20 %. Folglich sind Übergewicht (Bodymassindex >25) und Adipositas (BMI > 30) bei Jugendlichen mit geringem sozialen Status etwa doppelt so häufig anzutreffen wie bei solchen mit mittlerem sozialen Status. 

2024 waren in Deutschland 11% der Bevölkerung armutsgefährdet in Bezug auf Ernährung. Sie waren gezwungen, sich von minderwertigen Lebensmitteln zu ernähren, die reich an Kalorien, aber arm an Nährstoffen sind, z.B. hochverarbeitete und zuckerlastige Produkte. Sie können es sich nicht leisten, mindestens jeden zweiten Tag eine Mahlzeit mit Fleisch, Fisch oder gleichwertigen Proteinen zu essen. Bei dieser Mangelernährung steigt das Krankheitsrisiko. Betroffen von dieser materiellen Ernährungsarmut sind v.a. Menschen mit niedriger Bildung, Alleinerziehende, Arbeitslose, Rentner und Migranten. Von sozialer Entbehrung sind 2024 9,4 % der Bevölkerung betroffen. Diese Gruppe hat nicht die finanziellen Mittel, mindestens einmal im Monat mit Freunden zu einem Getränk oder Mahlzeit zusammen zu kommen, so dass ihre soziale und kulturelle Teilhabe eingeschränkt ist. 

Der Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Armut in Bezug auf Ernährung und die daraus entstehenden Probleme für unsere Gesellschaft werden von der Politik, auch im Wahlkampf, vielfach negiert oder delegiert, z.B. an Wohlfahrtsorganisationen oder die Tafeln. In der Diskussion wies die Referentin auf eine Maßnahme hin, die auch vom Bundeslandwirtschaftsministerium unterstützt wird: Mit einem gelben Band werden Obstbäume markiert, von denen kostenlos und ohne Rücksprache geerntet werden darf. Ein kleiner, nachahmenswerter Schritt! 

Zum Abschluss schlug Frau Prof. Bartelmeß noch einen Bogen zu unserem UNESCO-Jahresthema „Vielfalt fördern, Menschenrechte achten“. Damit das Vertrauen in unser politisches und wirtschaftliches System nicht weiter sinkt, sollte der Umsetzung des in Artikel 25 festgehaltenen Menschenrechts „auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung“ mehr Bedeutung beigemessen werden. 

Auf dem Foto bedankt sich Vorsitzender Hartmut Schuberth bei Frau Professor Tina Bartelmeß für ihre aufschlussreichen Ausführungen.

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